Erster westhouse-Talk mit Carolina Trautner

Mit dem Pflegenotstand beschäftigte sich der erste Westhouse Talk am 13.10.22. Prominente Gesprächspartnerin war Carolina Trautner, die bis vor kurzem Sozialministerin war und sich jetzt im Gesundheitsausschuss für das Thema Pflege engagiert. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass der Pflegenotstand ein existentielles und bedrohliches Thema ist, das aber in der Politik und der Öffentlichkeit zu wenig gesehen wird.

Die Ausgangssituation ist tatsächlich schwierig: In und nach der Corona-Pandemie haben etliche Pflegekräfte ihren Dienst quittiert. Das hat die schon schwierige Situation weiter verschärft. In den nächsten Jahren werden aber aufgrund des demographischen Wandels mehr Menschen Pflege brauchen und die Gesellschaft wird sich nicht mehr darauf verlassen können, dass dies wie bisher zu einem beachtlichen Teil von Angehörigen übernommen wird.

Aus der Sicht von Carolina Trautner ist die Lage also sehr ernst. Deshalb müssen so viele Maßnahmen ergriffen werden wie möglich, um weiterhin eine befriedigende Qualität der Pflege zu  ermöglichen. Neben einer besseren Bezahlung ist es aus ihrer Sicht notwendig, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dazu sind verschiedene Maßnahmen denkbar, wie verlässliche Dienstpläne, Aufstiegsmöglichkeiten, eine Verschlankung der Bürokratie, unterstützende Angebote wie Supervision und Fortbildungen bis hin zur Hilfe bei der Wohnungssuche. Wichtig ist aber auch, die schönen Seiten des Pflegeberufs mehr zu thematisieren. „Eine Tätigkeit in der Pflege ist sinnerfüllend und die Pflegekräfte sind immer in Kontakt mit Menschen, von denen oft auch viel  urückkommt. Darüber muss mehr gesprochen werden, ohne die Probleme kleinreden zu wollen.“

Schwierige Rolle von Zeitarbeitsfirmen

Von anwesenden Pflegekräften wurde die Rolle von Zeitarbeitsfirmen angesprochen, deren Leistungen von Pflegeheimen oder Kliniken angenommen werden. Dort verdienen Pflegekräfte oft besser, haben aber weniger Verantwortung und können mehr Ansprüche stellen an die Gestaltung von Dienstplänen etc. Dies stifte enormen Unfrieden innerhalb von Belegschaften und sei den angestammten Pflegekräften nicht zu vermitteln. Hier müsse die Politik tätig werden, um Auswüchse zu verhindern. Diese Beschreibungen wird Frau Trautner an Gesundheitsminister  weitergeben.

Frau Trautner sieht auch viel Potential in der Beobachtung von Modellen in anderen Ländern. So übernehmen in Schweden oder den Niederlanden gelernte Pfleger/-innen viele Erstbehandlungen und entlasten damit die Ärzte. Diese „Gemeindeschwestern“ haben viel Verantwortung, eine gute Bezahlung und ein großes Ansehen.

Damit sich aber etwas ändert, müssen alle dafür sorgen, dass mehr über die Pflege gesprochen und politisch diskutierte wird. Carolina Trautner: „Das Thema geht uns alle an. Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass wir wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen. Und das geht nur, wenn alle mitziehen.“